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Wolfram Fischer

Vortrag

gehalten anlässlich der Vernissage zur Ausstellung
„Astrofotografie“ am 01.12.2000 im Gewandhaus zu Leipzig

DV-Bild aufgenommen während des Vortrages

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte Sie auch ganz herzlich begrüßen. Ich freue mich sehr, dass Sie die Zeit und das Interesse gefunden haben, hierher ins Gewandhaus zu kommen.

Ich wurde bereits dankenswerterweise durch den Gewandhausdirektor Herrn Schulz vorgestellt, dennoch möchte ich mir erlauben, noch einige Gedanken zu meinem Werdegang anzufügen.

Ich wurde 1954, als Sohn eines Sängerehepaares, in Cottbus geboren.

Gestatten Sie mir zu bemerken, es erfüllt mich mit Dankbarkeit und Freude, dass meine Mutter mit 77 Jahren diesen Tag hier gesund und munter miterleben kann.

In der Zeit von 1970 – 1978 studierte ich in Leipzig Musik und konnte mir diese Stelle im Gewandhausorchester erstreiten, die ich dann im August 1978 angetreten habe.

Ich muss Ihnen gestehen, das ist eine Sache, auf die ich auch heute noch irrsinnig stolz bin, denn es ist wirklich unglaublich schwer, in so einem Orchester eine Stelle zu bekommen. Meine Kollegen hier, die wissen das nur zu gut.

Meine Beschäftigung mit der Astronomie reicht zurück bis ins Jahr 1967. Ich war damals 13 Jahre alt und mein 4 Jahre älterer Bruder Detlef, der, nebenbei gesagt, auch Musiker wurde und hier im Gewandhaus eine Zeit lang als Substitut mitspielte, war am entstehen dieses Hobbys nicht ganz unschuldig. Er war damals überaus raumfahrtbegeistert, -es war ja auch eine tolle Zeit, kurz vor der bemannten Mondlandung-

und eines schönen Tages las er mir, ich war noch zu faul zum Selberlesen, dieses utopische Romanheft von Carlos Rasch vor, „Der blaue Planet“. Was ich da hörte, entzündete in mir die Flamme der Faszination und Begeisterung für das Weltall. Ich versuchte mit Fantasie dieser Realität nachzuspüren, die meine Vorstellungskraft so überstieg und brachte sie mit Dingen in Verbindung, die wir zwar nicht genau wissen, aber deren mögliches Existieren der Sache Leben einhauchte.

Dieses grandiose Unbekannte wurde für mich zum Ziel kühnster Abenteuer.

Ich will im Laufe dieser Veranstaltung versuchen, etwas von dieser Faszination für Sie nachvollziehbar zu machen.

In den ersten Jahren baute ich 2 kleine Fernrohre.

Was Sie hier sehen, ist das größere von beiden, mit einem 63 mm Objektiv, fast noch so, wie ich es vor 32 Jahren gebaut habe. Ich habe es lediglich, zur Feier des Tages, einmal neu angestrichen. Es liefert aber auch heute noch exzellente Bilder.

Damals hatte ich allerdings diese Montierung nicht. Die war noch lange ein unerfüllbarer Wunschtraum. Es handelt sich hier um die Original-Ib-Montierung, die 13 Jahre lang meine 36 kg schwere Schmidt-Kamera trug und mit der ich die meisten Erfolgsaufnahmen nachführte, allerdings auf einer schweren Stahlsäule und mit einem Frequenzwandler zur Feinstkorrektur. Mit diesen ersten Fernrohren beobachtete ich in meiner Frühzeit in Cottbus, natürlich nach dem Geigeüben, an jedem klaren Abend, um Sternhaufen und Nebel aufzusuchen oder um den Mond zu fotografieren.

Zu einer einschneidenden Veränderung kam es 1969, als ich bei einer Urlaubsreise mit den Eltern im Lausitzer Bergland, südlich von Bautzen, die fantastischen ländlichen Beobachtungsbedingungen und die instrumentellen Möglichkeiten an der Schul- und Volkssternwarte „Bruno H. Bürgel“ in Sohland an der Spree kennen lernte. Sohland selbst ist ein großes Dorf an der Böhmischen Grenze. Das Erlebnis war so nachhaltig, dass alles Tun zu Hause auf diesem Gebiet stark an Bedeutung verlor, und 1970 begann mein Studium in Leipzig, im Lichtermeer einer Großstadt.

Ich hatte aber das Glück, an der Sternwarte in Sohland auf freundliche und entgegenkommende Menschen gestoßen zu sein, die meine jugendlichen Bestrebungen ernst nahmen und mir die Möglichkeit boten, alljährlich in den Sommerferien für mehrere Wochen auf der Sternwarte zu wohnen und an den verfügbaren Instrumenten zu arbeiten.

Oft begleitete mich mein Bruder oder die Mutter, anfangs auch mein Vater, der aber leider 1974 starb.

Es eröffnete sich mir damit eine ungeahnte Entwicklungsmöglichkeit als Astrofotograf, die mich eng mit der Sternwarte in Sohland verband.

Um allen Spekulationen vorzubeugen, die da besagen könnten, na macht der überhaupt etwas anderes, sei gesagt, dass meine praktische Beobachtungstätigkeit seit jener Zeit stets eine mit Hochdruck betriebene Ausnahmesituation war, in wenigen Wochen oder Nächten im Jahr! Das wurde immer dann zum Handycap, wenn es grundlegende Probleme gab, deren Überwindung sich dann über Jahre hinzog. Ich glaube, das ist wichtig zu wissen, wenn man sich die Ausstellung ansieht.

1981 konnte ich auf dem Gelände der Sohlander Sternwarte quasi eine eigene kleine Station mit abrollbarem Dach, mit viel Hilfe, auch von Sohlander Sternfreunden, errichten.

Darin steht seit 1983, unabhängig vom öffentlichen Sternwartenbetrieb, meine Schmidt-Kamera und seit 1996, auf einer stärkeren Montierung, die Schmidt-Kamera zusammen mit einem selbst geschliffenen Cassegrain-Teleskop mit einem Hauptspiegel von 257 mm Durchmesser.



Ich meine, es ist dazu sehr viel mehr zu sagen, aber die Ausstellung ist reich an Informationen und ich würde Ihre Zeit nur stehlen, wenn ich Ihnen hier nicht etwas darüber Hinausreichendes offerieren könnte.

Ich habe mir daher gedacht, dass es für jemanden, der mit der Materie hier nicht so vertraut ist, möglicherweise interessant sein könnte, einige Gedanken von Experten zu meiner Arbeit im speziellen, wie zur astronomischen Freizeitbeschäftigung im allgemeinen zu hören.

Ich freue mich, auch aus diesem Grund, 2 hochkarätige Leute in Sachen Schul- und Amateurastronomie begrüßen zu können, die mich zudem seit Jahrzehnten kennen.

(Der Herr Schulz hat bereits davon gesprochen.) Der eine ist der Leiter der Sternwarte Sohland, Gymnasiallehrer Wolfgang Knobel, der sich mit ganzer Kraft seit vielen Jahren um die Entwicklung und den Erhalt der Einrichtung verdient gemacht hat und jahrelang die Lehrerfortbildung im Fach Astronomie in Sachsen in der Hand hatte.

Der andere ist der hoch verehrte Dr. Klaus Lindner. Er machte sich als Autor zahlreicher astronomischer Fachbücher einen Namen, war an der Ausarbeitung von Lehrplänen im Fach Astronomie zu DDR-Zeiten und nach der Wende in Sachsen beteiligt, wirkte in allen möglichen Zeitschriftengremien, war bis vor kurzem Rektor der Thomasschule und hat nun, mit seiner Pensionierung die Chefredaktion der Zeitschrift „Astronomie und Raumfahrt in der Schule“ übernommen. Übrigens, es ist mir auch eine Ehre, dass sein Vorgänger in dieser redaktionellen Tätigkeit, Dr. Helmut Bernhard, der jahrzehntelang Astronomielehrer ausbildete, den weiten Weg hierher nicht gescheut hat.

Darf ich zunächst den Leiter der Sternwarte Sohland, Herrn Knobel, bitten einige Worte zu sagen.



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Ich bedanke mich ganz herzlich, sicherlich auch in ihrem Namen, für die interessanten Ausführungen und auch persönlich für die freundlichen Worte. Man hörte aus diesen auch ein gewisses Leistungsdenken heraus.

Wissen Sie, die eigentliche Motivation für meine Amateurtätigkeit kommt nicht aus dem Gefühl heraus, mit irgendjemandem konkurrieren zu müssen.

Natürlich freut man sich, wenn mal etwas veröffentlicht wird und hat da auch einen gewissen Ehrgeiz. Das erklärt aber nicht, dass ein Mensch Strapazen, die Müdigkeit und Kälte der Nächte und häufige Misserfolge in Kauf nimmt. Da ist etwas, was aus all dem einen persönlichen Gewinn macht. Dr. Lindner sprach darüber.

Die Astrofotografie war ja für mich stets eine Angelegenheit, in der ein Lohn, der den Aufwand an Mühe gerechtfertigt hätte, nie in Aussicht stand. Da ging es ja nicht um Forschung oder um großartige Entdeckungen. Belohnung war immer die Tätigkeit selbst und was durch diese sichtbar wurde. Sich ein eigenes Bild machen von dieser großartigen Welt, dabei zu sein, sie wirklich aktiv mitzuerleben.



Nun, da die Sternwarte Sohland in meiner amateurastronomischen Entwicklung eine so zentrale Bedeutung hat, möchte ich Ihnen jetzt im Folgenden die Möglichkeit geben, diese selbst einmal kennen zu lernen. Ich zeige ihnen dazu jetzt einen 10,5 Minuten langen Videobeitrag, der allerdings aus dem Jahr 1993 stammt und nicht in allem ganz aktuell ist. Er wird ihnen aber einen Eindruck vermitteln können. Ich bitte Sie aber schon im Voraus um Nachsicht wegen der laienhaften technischen Qualität und leider hat das Band schon etwas gelitten, weil es zu oft gezeigt wurde. (und außerdem sehen Sie hier die Kopie von einer Kopie und Sie wissen, dass da die Qualität eines Analogbandes stark nachlässt.) Die Neufassung dieses Films in Digitaltechnik ist leider noch nicht zum Abschluss gekommen.



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Liebe Gäste, ich möchte Sie im Weiteren nicht verschärft mit astrofotografischen Techniken oder ähnlichem strapazieren. Hier findet ja keine Astroamateurtagung statt. Wer sich dafür interessiert, wird wie gesagt, vieles in meiner Ausstellung erfahren können oder kann mich hinterher ansprechen.

Es erscheint mir am wichtigsten, Ihnen etwas von dem nahe zu bringen, was für mich die Beschäftigung mit der Astronomie so lebendig und faszinierend macht. Das ist natürlich etwas, was ich als Liebhaber der Materie reichlich im Angebot habe.

Schlagen wir doch einmal den Bogen von meinem Beruf zum Hobby.

Ich bin der Musik und der Astronomie sehr zugetan. Ich kenne aber auch eine ganze Menge Sternfreunde, die keine Musiker, aber dennoch ausgesprochene Liebhaber klassischer Musik sind. Und das ist kein Zufall!

Zwischen beiden so unterschiedlichen Gebieten existieren in der Tat Parallelen.

Diese liegen in einer hohen Anforderung an die Fantasie, an das Vorstellungsvermögen, der persönlichen Spiritualität, im selben weltanschaulich-philosophischen Hintergrund. Und das alles hat nicht unbedingt etwas mit Mystik zutun. Ich selbst bin eigentlich ein sehr rational denkender Mensch.

Musik spiegelt ja in künstlerischer Form menschliches Erleben, menschliches Fühlen und Denken wider, ist eng verknüpft mit dem Zeitgeist und dem Stil der Epoche des Komponisten, aber eben auch mit Weltanschauung und Philosophie.

Wer die musikalische Sensibilität, die Fantasie und das Wissen hat so etwas herauszuhören, spürt auch irgendwie die Faszination von dem großen Ganzen das uns umgibt, von dem wir ein winzig Teil sind, - bewirkend, dass unser Herz schlägt, wir morgens erwachen, - uns das Gefühl gebend, irgendwie umsorgt zu sein, - und das aus denselben elementaren Kräften heraus, die auch Galaxien drehen oder Sterne explodieren lassen.

Es ist hier eine gemeinsame Antenne für Dinge von Nöten, die sich, trotz allem Wissen nur ahnen lassen.

Es spielt dabei gar keine Rolle, ob wir dahinter Gott sehen, oder wir mit dem wenig tröstlichen Bewusstsein leben, dass die Welt alleinig das Produkt des komplizierten Ineinanderwirkens materieller Kausalitäten ist.

Wissen Sie, der langsame Satz einer Sinfonie oder eine Opernarie, von Leuten oft als langweilig empfunden, kann mich zu Tränen rühren, wird doch dort in mir das Weinen und Lachen des Komponisten wieder lebendig, eines Menschen, der vielleicht schon vor Jahrhunderten gestorben ist.

Das ist etwas ganz und gar unglaubliches!

Auch die Sterne leuchten aus der Vergangenheit zu uns. Ihr Licht ist oft ebenso Jahrhunderte bis zu uns unterwegs.

Für die meisten Menschen sind Sterne kaum beachtete Pünktchen dort oben, dabei sind sie unsere kosmische Umwelt, die von uferloser Weite und atemberaubender Vielfalt kündet, die nicht abstrakt und irgendwo fern ist, sondern in der wir mittendrin leben!

Uns trennt vom lebensfeindlichen Vakuum, der Kälte, Hitze und Strahlung des Weltraums nur eine lächerliche, 100 km dünne Luftschicht, und besäße die Erde nicht genug Anziehungskraft, würde die Strahlung der Sonne sie fort blasen.

Wissen Sie, im Grunde weiß kein Mensch viel von dem da draußen. Man sollte einmal seine Augen aufmachen und mit halboffenem Mund seine Sinne schärfen, hinauslauschen, allen Gedankenmüll, voller ungewissem erkenntnisgemäßen Zeitgeist beiseite lassend!

Sie kennen alle dieses berühmte Bild von Spitzweg, der Sterngucker. Ich habe es in dem Videobeitrag verwendet. Es bringt genau das zum Ausdruck, nämlich Demut, Staunen und Erahnen, aber auch Neugier.

Das dort draußen, diese uferlose Erhabenheit bloßen Seins, wird sich wahrscheinlich niemals restlos in die begrenzten Begriffswelten des Menschen zwängen lassen. Wir erfahren doch nur eine von unseren Sinnen übermittelte zeitlich-räumliche Fassette dieser gewaltigen, alle Vorstellung übersteigenden Wirklichkeit, und verarbeiten dies in uns eigentümlichen Weisen.

Nur unsere beflügelte Fantasie, unsere Vorstellungskraft, lässt uns in gnädigen Augenblicken eins werden mit dem Universum, - lässt uns erahnen, was dort grandioses, unglaubliches wirklich existieren mag.

Das Weltall ist von wahrhaft grenzenloser Weite und Leere, durchzogen von elektromagnetischen- und Gravitationsfeldern. Den winzigen Rest dominieren Galaxien, die in Gruppen Haufen und Superhaufen, wie Seifenschaum verteilt, zu Milliarden und aber Milliarden das Universum erfüllen. Jede dieser Galaxien, zu deutsch Milchstraßensystem, leuchtet im Licht von Milliarden bis zu Billionen Sternen. Dabei ist jeder Stern eine gewaltige Sonne, deren Leuchten in der Unendlichkeit mit dem Licht Milliarden anderer zu einem winzigen, schwachen Nebelfleck verschmilzt!

Unsere Milchstraße besitzt allein so viele Sterne, dass, wäre jeder davon ein Reiskorn, damit der Kölner Dom von innen aufgefüllt werden könnte!

Jede Sonne entstand, zusammen mit weiteren, aus dem Gas und Staub ihrer Galaxis. Neben diesen kosmischen Großkörpern bildeten sich aber zweifellos überall, in noch unvergleichlich größerer Zahl, als Restprodukte der Sternentstehung, kleine, selbst nicht leuchtende Himmelskörper, Planeten, Monde, Asteroiden, Kometen, Meteoriten. Bisher glaubt man fast 50 Exo-Planeten bei nahen Sternen indirekt nachgewiesen zu haben.

Interessant ist hier die brandneue, bemerkenswerte Entdeckung noch heißer Urplaneten, die unabhängig von Sternen im Weltraum vagabundieren. Aber die vielen Planeten, die um eine unvorstellbare Zahl von Sternen, innerhalb unvorstellbar zahlreicher Galaxien kreisen mögen, sind Welten!

Es gibt gute Gründe von ihrer Existenz auszugehen, aber wir wissen nichts von ihnen, denn sie sind nicht einmal im größten Teleskop als Pünktchen zu erkennen. Zu weit sind sie entfernt und zu sehr werden sie von ihren Sonnen überstrahlt. Aber würden wir dort sein, könnten wir sie in tagelangen Märschen nicht nennenswert umrunden. Was uns dort wohl erwarten und widerfahren könnte?

Es gibt sie dort draußen! Denken wir nur an unser eigenes Sonnensystem, an die überraschenden Bilder, die die Raumfahrt zur Erde brachte:

Die wild zerklüfteten Landschaften der Gluthölle Venus, die uns die Radarbilder der Magellan-Sonde zugänglich machten. Oder die rötlichen, kraterübersäten Sandwüsten des Mars, mit dem größten Vulkan des Sonnensystems „Olympus Moons“. Ja selbst die kleinen Galileischen Monde des Jupiters entpuppten sich als Welten mit eigenen Charakteristika. Der Mond Io mit seinem bemerkenswerten Vulkanismus, der Mond Europa, bedeckt von einem tief gefrorenen Ozean aus Wasser!

Überall Welten, unendlich reich strukturiert, mit ihrer Evolution, einmalig. Unsere Fantasie ist armselig im Verhältnis zur Variationsvielfalt der Natur.

Nebenbei erwächst aus dem eben geschilderten auch die Erkenntnis, was die Erde für uns ist. Nämlich der einzige, uns bekannte, lebensfreundliche Aufenthaltsort. Das riesige, fast leere Universum ist meistenorts zu kalt oder zu heiß, um empfindliche Lebewesen wie uns zu beherbergen. Welche Verantwortung wir doch haben, diesen blauen Planeten für unsere Nachfahren als angenehmen Lebensraum zu erhalten!

Etwas ganz anderes:

Wenn ich auf dem Weg, zu meinem Dienst hier in der Oper, den langen Gang hinter zu meinem Stimmzimmer gehe, schaue ich oft hoch zur Decke. Dort sind 60 x 60 cm große Platten befestigt, jeweils 3 nebeneinander und in jeder Platte eine riesige Zahl von Löchern,- wahrscheinlich zur Schallisolierung. Diese sind regelmäßig aufgereiht, wie die Soldaten römischer Legionen.

Ich machte mir einmal die Mühe und zählte sie bei einer Platte aus, 3240 Löcher. Wenn ich an der Decke des Ganges entlang schaue, verschwimmen die Löcher zu einer sinnlich nicht mehr fassbaren, ungeheuren Menge. Ich stelle mir immer wieder vor, wie lang der Gang sein müsste, um nur 1 Million Löcher aufzuweisen. Eine fast schon unvorstellbare Zahl! Der Gang müsste dazu 61,8 m lang sein.

Mit leichtem Erschauern kann ich erahnen, was eine Million bedeutet. Eine Million km sind 1000 x 1000 km, eine Million Jahre, 1000 Jahrtausende,.....unfassbar,- aber in der Natur ein Nichts! Es wird hier erfahrbar ein im Grunde erschreckender Aspekt der Wirklichkeit, den große Zahlen ausdrücken, aber leider nicht erlebbar machen können. Diese sind Kürzel, Stenogramme.

Wenn man das auf die astronomischen Gegebenheiten überträgt, wird Verschiedenes ganz krass bewusst:

Unsere Winzigkeit, unsere kümmerliche Begrenztheit gegenüber kosmischer Realität, unsere extreme Kurzlebigkeit, im Vergleich zur Existenz beispielsweise eines Sterns.

Was stellen Sie sich vor, wie weit man von der Erde weg käme, wenn uns jeder Tag im Leben 1 km fort brächte? Bis zum Mond, bis zum Mars?

In 80 Jahren hat ein Mensch nicht einmal so viele Tage erlebt, dass er einmal um die Erde herum käme! Es sind nämlich nur 29200 Tage plus 20 oder 21 Schalttage und das ist schon ein recht langes Menschenleben!

Wir sind Kreaturen, gefangen in einer Zeit, in einer Dimension. Für uns sinnlich erfahrbar von wenigen Millimeter-Bruchteilen bis zu einigen Kilometern.

Darum versuchen wir wenigstens in uns einmal eine Ahnung von kosmischen Dimensionen zu wecken.

Sich die Größe und Weite des Sonnensystems vorzustellen, ist schon eine Zumutung. Die Planetensonde „Cassini-Huygens“ wird mit mehr als zweiter kosmischer Geschwindigkeit 7 Jahre durch diese Weiten rasen, 3,9 Milliarden km zurücklegen, ehe sie 2004 nur den Saturn erreicht. Eine Milliarde sind eben 1000 Millionen!

Man hofft die Signale der Voyager II-Sonde, 1977 gestartet, bis zum Jahr 2015 empfangen zu können. Voyager II wird dann nach 38 jähriger Reise, wirklich ein „Reisender“, 19 Milliarden km von der Sonne entfernt sein. Die Sonne ist von dort nur noch ein Stern,- wenn auch der mit Abstand hellste, aber glauben Sie nicht, dass damit eine nennenswerte Entfernung zu einem anderen Stern überwunden wurde.

Wechseln wir nämlich unsere Entfernungsskala von interplanetaren Distanzen zu interstellaren, also von den Entfernungen zwischen Planeten zu den zwischen Sternen, schrumpfen die Ausmaße unseres ganzen Sonnensystems schlagartig zur Dimensionslosigkeit eines Punktes zusammen. Der nächste Stern ist sage und schreibe 40 000 Milliarden km entfernt! Voyager II wäre dorthin 80 000 Jahre unterwegs!

Das Licht durcheilt unser Sonnensystem in wenigen Stunden. Vom Nachbarstern α Centauri benötigt es 4,3 Jahre.

Stunden – und Jahre, der riesige zeitliche Unterschied entspricht ja dem räumlichen.

Hier versagt einfach unser Vorstellungsvermögen, tausende Milliarden, das heißt Billionen km, Lichtjahre. Ein Lichtjahr, also die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt, sind 9,46 Billionen km. Der Gang in der Oper müsste für so viele Löcher fast 585000 km lang sein. Da haben wir schon wieder kosmische Dimensionen.



Aber bereits unser Himmelskörper, die Erde, hat unvorstellbare Ausmaße. Wir leben auf ihrer 510,1 Millionen km2 großen Oberfläche. Der eigentliche Planet liegt aber unter unseren Füßen, mit reichlich 1 Billion km3 Rauminhalt! Da ist die Masse, die unsere Schwere erzeugt!

Um Ihnen zu demonstrieren wie kläglich unser Vorstellungsvermögen, in der Realität die große Zahlen beschreiben, versagt, stellen Sie sich vor am Meeresstrand zu stehen und über die endlose Weite des Wassers zu schauen, die in der Ferne, am Horizont mit dem Himmel verschmilzt.

Nach menschlichem Ermessen kann es doch wohl kein extremeres Größenverhältnis geben, als zwischen einem einzigen Wassertropfen und einem ganzen Meer. Nehmen wir aber dazu nicht irgendein Meer, sondern die Gesamtheit aller Weltmeere, die mit durchschnittlich

3795 m Tiefe 71% der Erdoberfläche bedecken. Die Weltmeere haben ein Volumen von 1,3 Milliarden km3 und machen 1/400stel der Erdmasse aus.

Könnten Sie sich nicht ohne weiteres vorstellen, dass das Verhältnis solch eines Tropfens zu den Weltmeeren dem Volumenverhältnis der Erde zum bekannten Universum gleichkommt?

Ich habe einmal die Wassertropfen, die 10 ml füllen, ausgezählt und auf die Weltmeere hochgerechnet. Ebenso berechnete ich, wie oft die Erde in einem Kugelraum von nur 100 Lj. Platz hat. Das Ergebnis ist ganz und gar unglaublich:

Allein in einem 100 Lj. Kugelraum verliert sich unsere Erde so oft, wie ein Wassertropfen in knapp 13,5 Millionen Weltmeeren!

Da muss ich wieder an den Gang in der Oper denken, der allein schon für 13,5 Millionen Löcher an der Decke 834 m lang sein müsste. Das Universum übersteigt einfach alle irdischen Vergleiche, es ist die größte Zumutung und Herausforderung für den menschlichen Geist. Nicht umsonst sagt man, dass es die Unendlichkeit ist. Aber 100 Lj. sind nur das Gebiet um unsere galaktische Haustür!

Das überschaubare Universum reicht 12 bis 15 Milliarden Lj. weit und wir sehen ebenso viele Jahre in die Vergangenheit, bis zum Zeitpunkt des Urknalls zurück. So es diesen wirklich gab.



Ein besonderer Quell der Faszination war für mich von Anfang an mit künftiger Raumfahrt und mit außerirdischen Zivilisationen verknüpft. Hier schlägt vielleicht auch bei dem einen oder anderen von Ihnen das Herz höher. Leider sind viele Menschen durch die konsumierten Fernsehserien, gerade in dieser Hinsicht, falsch geprägt, denn dort werden z. T. die elementarsten Naturerkenntnisse schamlos mit Füßen getreten.

Der Mensch als Beherrscher des Alls, für den interstellare Flüge meist nur eine Sache von Stunden sind und überall menschartige Zivilisationen. Etwas Schreckliches sind zum Beispiel Sterne, die wie Straßenlampen vorbeifliegen. Es entsteht dadurch zwar ein optischer Bewegungseffekt, das worum es aber geht, wird zum Westentaschenformat verniedlicht.

Die Punkte die da vorbei ziehen, sollen ja Sterne sein und wir alle wissen was Sterne sind, nämlich Sonnen, die im wesentlichen durch nichts anderes zu so ohnmächtigen Lichtpunkten der Nacht werden, als durch ihre riesige, unvorstellbare Ferne.

Stellen Sie sich unsere Sonne vor, ein eher durchschnittlicher Stern, der aber doch ein gewaltiges Weltenfeuer ist, ein schlummerndes Ungeheuer, seit Äonen gefangen im Gleichgewicht zwischen der im Inneren produzierten Strahlung und der Schwerkraft. Wehe dem Leben auf der Erde, wenn dieses Gleichgewicht ernstlich ins Wanken gerät.

Auch wenn dieser Zeitpunkt noch Milliarden Jahre fern in der Zukunft liegt, die Sonne ist ein Ungeheuer an Materie, in deren Rauminhalt unsere Erde 1,3 Millionen Mal hineinpasst. Wenn in einem Massenvergleich unsere Erde ein Leichtgewicht von 1 Gramm ist, dann besitzt die Sonne 332,9 kg.

Die Energie, die sie in nur einer Sekunde abstrahlt, entspricht dem Hunger an Elektroenergie der heutigen Menschheit 900 000 Jahre lang!

Die gleißende Sonnenscheibe, die aus 150 Millionen km Entfernung den irdischen Tag mit Licht überflutet, versuchen Sie für einen Augenblick zu erahnen, wie unvorstellbar weit sie entfernt sein müsste, um zu einem schwachen Lichtpunkt in der Nacht, einem Stern zu werden.



Wenn Ihnen das gelungen ist, können Sie nur noch lächeln über vorbei fliegende Sterne. Selbst mit Maximum-Worb, mit 1000facher Lichtgeschwindigkeit oder so etwas, würden sich die Sterne erst nach stundenlangem Flug allmählich verschieben oder näher kommen.

Ein Flug durch die ganze Galaxis dauerte aber selbst da noch mehr als 100 Jahre. Zur Nachbargalaxis, dem Andromedanebel hätte man 2200 Jahre Flugzeit.

Selbst mit Worb-Antrieb wäre der Mensch also kein Beherrscher der Natur. Aber das ist Fantasterei!

In Wirklichkeit besteht unsere Naturbeherrschung, wenn man es ganz böse ausdrücken will, nur darin, dass wir keine Angst mehr vor wilden Tieren zu haben brauchen, weil wir sie ausgerottet haben.

Wir können das regelmäßige Verhalten der Natur erkennen, beschreiben und nach Möglichkeit praktisch anwenden. Leider all zu oft nicht zum Segen der Menschheit. Wir haben aber überhaupt keinen Einfluss auf die Verhaltensweisen der Materie. Da wo die Natur grundlegende Schranken setzt, hat auch eine noch so ausgefeilte Technik, eine noch so hoch entwickelte Zivilisation keine Chance. Die Naturwissenschaft kann nicht etwas entdecken, was nicht existiert, auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen!

So wie die Zeit immer in eine Richtung abläuft, wird niemand auf die Idee kommen, ein Raumschiff zur Reise in den Mikrokosmos bauen zu wollen, zu vielleicht unendlich winzigen und kurzlebigen Materiestrukturen. Und im Makrokosmos sieht es nur im ersten Augenblick günstiger aus.

Die Lichtgeschwindigkeit wurde als Grenzgeschwindigkeit für den Energietransport ruhemasseloser Teilchen erkannt. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, unabhängig von der Geschwindigkeit des Beobachters und das Gesetz der Gleichheit von träger und schwerer Masse sind die Bollwerke der modernen Physik und wurden mit ausgefeiltesten Messtechniken immer aufs Neue bestätigt.

Es kommt heute niemand an den Konsequenzen der Relativitätstheorie vorbei. Wenn die Rolle der Lichtgeschwindigkeit als Grenzgeschwindigkeit naturgegeben ist, und es spricht heute praktisch nichts dagegen, dann wird die Überwindung auch bescheidener interstellarer Räume immer ein äußerst langwieriges, aufwendiges, gefährliches und in der bemannten Raumfahrt gar, mit relativistischen Geschwindigkeiten, durch den Effekt der Zeitdehnung, ein menschlich-sozial hochbrisantes Abenteuer sein.

Man stelle sich nur vor, man würde wegfliegen mit dem Bewusstsein, wenn ich heimkehre, werden, durch die Zeitdehnung, all meine Lieben, auch meine Kinder gestorben sein und ich werde als lebendes Fossil in eine Welt geraten, die mir völlig fremd geworden ist. Das ist eine absolute Horrorvision.

Vielleicht wird man Ende dieses Jahrhunderts bereits erste unbemannte Sonden mit einigen Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu nahe gelegenen Sternen abschicken können. Vorstellungen darüber gibt es wohl schon, obwohl es dafür noch gar keine Antriebe gibt. Aber Forschungsergebnisse werden viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte auf sich warten lassen, wenn denn die Sonden nach so langer Zeit noch funktionieren.

Nach Einsteins Äquivalenzprinzip schlummern in jedem Gramm Materie ungeheure Energien, nämlich 25 Mill. Kilowattstunden, von denen selbst die Wasserstofffusion nur 0,7 % umzuwandeln vermag. Sollte es jemals gelingen diese Energien 100 % ig in einem Triebwerk der Zukunft zu entfesseln und damit ein Raumschiff bis in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen und sollte es möglich werden, zu verhindern, dass dieses Raumschiff durch den Zusammenprall mit dem interstellaren Medium verglüht, dann wären durch die Zeitdehnung Reisen auch über tausende Lichtjahre hinweg möglich. Aber immer unter dem Aspekt, dass auf der Erde erst ferne künftige Generationen etwas davon haben werden.

Jahrtausende stehen jedoch in einem übermächtigen Verhältnis zur Existenzdauer unserer Zivilisation, sind kein überschaubarer Zeitraum mehr. Es bedeutet praktisch, ein Raumschiff und seine Besatzung ins Nichts, zumindest in große Ungewissheit zu schicken. Ich könnte darin eigentlich nur noch eine Verzweiflungstat sehen. Leben bei deren Rückkehr überhaupt noch Menschen mehr auf der Erde? Es macht keinen rechten Sinn, ein Raumschiff, unter solch einem Vorzeichen, auf eine so weite Reise zu schicken. Hier versagt bei mir einfach jeder Zukunftsoptimismus.

Und so etwas wie der Worb-Antrieb in Star Trek, wo eine höhere räumliche Dimension zur Abkürzung für weite Reisen in die Einsteinsche Raum-Zeit benutzt wird, ist praktisch reine Fantasie. Ob hier die Natur eine reale  Grundlage gibt und eine technische Umsetzbarkeit nur gefunden zu werden braucht, ist höchst fragwürdig.

Aber wie auch immer, der Raum wird durch den Faktor Zeit, ab einer bestimmten Größe für die Raumfahrt, auch in ferner Zukunft, zur unüberwindlichen Barriere!



An ähnliche Schranken müssen auch etwaige Bewohner fremder Welten gefesselt sein.

Wenn ich alles zusammenfasse, was ich zu diesem Thema je gehört und gedacht habe, möchte ich sagen, dass wir uns an den Gedanken gewöhnen sollten, dass wir abgrundtief allein sind im Weltraum!

Den ganzen Ufoberichten stehe ich äußerst skeptisch gegenüber. Wahrscheinlich handelt es sich hier hauptsächlich um äußerst seltene Zusammentreffen atmosphärischer Phänomene, die selbst geschulte Beobachter täuschen können. Ich befürchte auch, dass das Seti-Programm, das mit der Suche nach außerirdischen künstlichen Radiosignalen beschäftigt ist, erfolglos verlaufen wird.

Selbst wenn es irgendwo andere technische Zivilisationen gibt, werden wir vermutlich kaum jemals wirklich Kontakt zu diesen bekommen, geschweige denn mit diesen kommunizieren können.

Stellen Sie sich nur mal vor, dass es Wesen gibt, die sich nicht mit Lautäußerungen und Schriftzeichen verständigen, sondern durch betrommeln mit irgendwelchen Fühlern. Wesen, die sinnlich völlig andersartig sind, vielleicht unter Wasser leben und eine mit dem Menschen völlig unvergleichliche Kultur aufweisen. Wenn man von denen Signale auffangen würde?

Stellen Sie sich vor, wie hoffnungslos es wäre, da einen Sinn hinein zu bekommen. Das Entziffern der Linear B-Schrift, bis heute nicht gelungen, dürfte doch wohl dagegen ein Klacks sein.

Was nützt uns ein Gesprächspartner, dessen Art zu denken und sich auszudrücken wir wahrscheinlich nie begreifen werden und der sicherlich soweit entfernt lebt, dass ein Signal hin und zurück tausend und mehr Jahre unterwegs ist?

Überhaupt wird das zeitgleiche Auftreten technischer Zivilisationen im Weltall etwas höchst seltenes sein. Die Sterne entstanden zu ganz unterschiedlichen Zeiten und die weitaus längste Zeit befand sich das irdische Leben auf dem Niveau einzelliger Mikroorganismen, was woanders sicher ebenso gewesen sein dürfte oder noch ist.

Aus naturwissenschaftlicher Sicht erscheint heute die Menschwerdung als ein langwieriger natürlicher Prozess. Eine schier unendliche Kette von Gegebenheiten, deren Abfolge längst nicht nur zwangsläufig war, auch unermesslich viele zufällige Faktoren enthält, ließ allmählich das artspezifisch, entscheidende Merkmal des menschlichen Verstandes entstehen, das sich nicht zielgerichtet notwendig herausbilden musste und auch bei keiner anderen Art Lebewesen auf der Erde sich je wiederholt hat.

Ich denke, es ist überaus blauäugig zu glauben, dass der allgemeine Trend in der belebten Natur, zu immer komplexeren, komplizierteren, höher entwickelteren Strukturen notwendig zur Vernunftbegabtheit hinmündet. Die weit über eine Million anderen Arten auf der Erde, die die gleiche Entwicklungszeit wie der Mensch hatten, belehren uns eines besseren.

Jede Art hat unbewusst ihren Trick gefunden, ihre ökologische Nische, um zu überleben. Ob es ein vorgetäuschtes großes Auge auf dem Flügel eines Schmetterlings ist, der Angreifer abschreckt, oder das wespenähnliche Aussehen der Mimikrifliegen, oder aber schlauer und in der Gemeinschaft stärker zu sein als alle größeren Feinde.

Alles in der Natur besitzt typisch allgemeine, aber auch einmalige Züge. Das Blatt, die Schneeflocke, die Sonne – und auch die menschliche Art.

Ist es nicht denkbar, dass diese überdimensionalen Gehirnfunktionen des Menschen etwas Einmaliges im Universum sind? Hat die Natur es wirklich nötig, sich in dieser Hinsicht zu wiederholen?

Und wie sicher ist es andererseits, dass Vernunftbegabtheit unbedingt in eine technisierte Zivilisation münden muss? Dieser Prozess setzte auf der Erde nicht in breiter Front ein, sondern ging, unter ganz bestimmten Bedingungen, von relativ wenigen Ländern aus, und pflanzte sich, gewollt oder ungewollt, als technische Weltkultur, alles andere verdrängend, fort.

Wäre dies nicht geschehen, würden beispielsweise die Papuas Neuguineas vielleicht noch in hunderttausenden von Jahren auf steinzeitlichem Niveau weiterleben. Und das sind Menschen wie wir.

Natürlich ist das spekulativ.

Ich will damit nur sagen, das Auftreten einer technischen Zivilisation ist eine Sache mit unglaublich vielen Fragezeichen. Vielleicht würden wir selbst auf einer Million Leben tragenden Planeten, so es diese gibt, keine Art mit ähnlichen geistigen Fähigkeiten antreffen.

Zweifellos stellt der Mensch, seine Möglichkeit die Welt gedanklich widerzuspiegeln, sein Eintreten ins Atom- und Computerzeitalter, im Universum, etwas außergewöhnliches dar! Der Mensch ist zwar eine mögliche Erscheinungsform in der Natur, aber sicher keine wahrscheinliche. Darin sollte er die Kostbarkeit seiner Existenz begreifen, unabhängig von jeder Weltanschauung.



Doch kehren wir zurück zu den unüberwindlichen Räumen und zu dem, was mir als Liebhaberastronomen vergönnt ist.

Hier beginnt nun das Wunderbare solch eines kleinen Fernrohres, eines Fotoapparates. Auch wenn die Instrumente an denen ich heute arbeite erheblich leistungsfähiger sind, die Natur schenkt uns die Möglichkeit, mit relativ einfachen Mitteln, über ungeheure Abgründe hinweg Informationen von faszinierenden Objekten zu erhalten, die wir niemals selbst erreichen können. Der Trick ist, wir nutzen die gigantischen Energien der Quellen und lassen einfach das Licht der Sterne und Nebel die weite Reise mit Höchstgeschwindigkeit zu uns machen.

Mit diesem kleinen Rohr aus meiner Frühzeit kann man unter guten Bedingungen gerade noch die hellsten Mitglieder des Virgo-Galaxienhaufens visuell erkennen, bis zu 70 Millionen Lj. entfernt. Ihr Licht wurde ausgesandt, als noch die Saurier die Erde bevölkerten.

70 Millionen Jahre irrte es durch die unbeschreibliche Leere und Weite des Weltraums, ehe es hier hinter dem Okular Kunde von seiner Existenz bringt.

Auch wenn das, was hier im Fernrohr erscheint, nur ein mit Mühe zu erahnendes Nichts ist, es ist aber keine Konserve, es sind die tatsächlichen Intensitätsverhältnisse, die Wirklichkeit!

Wenn auch auf ganz andere Weise, so zeigt uns aber erst die Astrofotografie das Weltall in großer Tiefe. Durch die langen Belichtungszeiten sind Reichweiten zu erzielen, den visuellen Beobachtungen weit überlegen.

Selbst kleine Kameras zeigen beachtliches, was visuell nur mit viel größeren Optiken oder gar nicht zu erkennen ist. Durch fotografische Techniken und am Computer wird es möglich, ein Bild voller Kontrast und Brillanz zu erzeugen. Auch wenn ein überhöhter, irrealer Eindruck vermittelt wird, ermöglicht uns doch erst die Fotografie so geringe Intensitäten und Farben überhaupt wahrzunehmen.

Hier bietet die Natur ein schwieriges und unerschöpfliches Betätigungsfeld, in dem ich, noch anders als in der Musik, eine Verbindung zum großen Ganzen finde.



Gegen Ende meiner Ausführungen, möchte ich kurz zu schildern versuchen, was das Erlebnis einer Beobachtungsnacht für mich ausmacht.

Wenn ich in einer klaren Nacht in Sohland hinter meinen Instrumenten sitze und es endlich geschafft habe, eine Aufnahme zu belichten, mein Film die Lichtquanten ferner Objekte sammelt und die CCD-Kamera die Nachführungskontrolle übernommen hat, dann ist die Zeit gekommen, in der ich wirklich besinnlich dabei bin.

Ich unbedeutendes Menschlein sitze dort, in der Kälte und Feuchtigkeit der Nacht, mit müden Augen und faltiger Stirn und schaue aus meiner kleinen, nur 2 mal 2 Meter großen Station hoch in die riesigen Weiten des Alls, das sich im Laufe der Stunden majestätisch über mir hinweg dreht.

Da ist stets die halbe Himmelskugel sichtbar, mit unzähligen Sternen und dem schimmrigen Leuchten des Milchstraßenbandes. Sämtliche Sterne da am Himmel, die helleren alles alte Bekannte für mich, gehören zu unserem Milchstraßensystem, einer riesigen Spiralgalaxie. Im Sommer können wir im Süden zu dem nach innen benachbarten Spiralarm blicken, im Nordosten zum äußeren.

Anders als im Planetarium, wo ein Blick durchs Fernglas verrät, dass es sich bloß um eine begrenzte Anzahl an die Decke projizierter Löcher handelt, verschafft uns hier eine Optik den Eintritt in eine andere Welt, deren Anblick atemberaubend vielfältig und immer wieder neu zu entdecken ist. Mit zunehmender Instrumentenöffnung wächst die Zahl der beobachtbaren Sterne und Nebel ins Unfassbare an. Aber gleich wie groß die Optik ist, stets gibt es Objekte an der Grenze der Wahrnehmbarkeit. Jedes Fernglas oder Fernrohr hat seinen Himmel und daher immer wieder die Neugier, was verbirgt sich dahinter.

Wohin man auch blickt, massenhaft nadelfeine Lichtpunkte und jeder einzelne von ihnen ein Stern, eine ferne Sonne voller Geheimnisse, - vielleicht mit Planeten, komplexen Welten, die es zweifellos Wert wären, entdeckt und erforscht zu werden, - überall Unbekanntes.



Während meine Aufnahmen automatisch nachgeführt belichtet werden, habe ich oft 1 oder 2 Stunden Zeit. Ich nutzte das, um mit Ferngläsern die Pracht der mir seit langem vertrauten Objekte zu genießen. Helle Sternhaufen, schwache Gasnebel und ferne Galaxien, bis zur Grenze der Erkennbarkeit. Ich wünschte, ich könnte Ihnen das nicht nur durch meine Fotos zeigen.

Immer neue Sternbilder erscheinen im Osten. In manchen Nächten geht spät auch die Mondsichel auf oder kurz vor der einsetzenden Dämmerung beschenkt mich die Venus mit ihrem Glanz. Irgendwo leuchtet vielleicht einen Moment lang eine Sternschnuppe auf, wie eine Mahnung an die eigene Vergänglichkeit, - ein kleines Sandkörnchen, das mit kosmischer Wucht auf die dünne äußere Luftschicht der Erdatmosphäre prallt, als würde ein Hammer auf einem Ambos Funken schlagen.

Wenn dann das zunehmende Tageslicht meiner Tätigkeit ein Ende setzt und ich meine Station zuziehe, erscheint mitunter bereits ein zarter rosa Schimmer am Osthorizont. Wie die Apotheose eines symphonischen Schlusssatzes verabschiedet sich eine Sternennacht. Für mich immer wieder ein beeindruckendes Naturerlebnis und ein Teil meines Lebensgefühls.



Bevor ich mich nun von Ihnen verabschiede, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich beim Gewandhaus für die Möglichkeit dieser Ausstellung zu bedanken. Vor allem der Herr Knorr, von der Abteilung Marketing, hat in sehr sympathischer und vorbildlicher Weise das Entstehen der Ausstellung betreut und sich um 100 Dinge im Hintergrund gekümmert.

Auch meiner Frau bin ich von Herzen dankbar, die es nicht immer leicht hatte, mir zeitlich den Rücken freizuhalten und die zahlreichen Texte auf Korrektur zu lesen.

Für mich bedeutete diese Ausstellung eine ziemliche Herausforderung und ist auch etwas einmaliges, denn ich werde kaum diesen Aufwand noch einmal betreiben.

Eine sehr arbeitsreiche, aufregende und auch sehr schöne Zeit liegt hinter mir, in der ich, aus dem Vollen schöpfend, versucht habe mein Bestes zu geben.

Ich kann nur hoffen, dass die Ausstellung vielleicht bei dem einen oder anderen etwas Interesse weckt und das ich Sie mit meinen Ausführungen nicht zu sehr strapaziert habe.

Ich danke für Ihre Geduld.