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1. Seite Hinweise für Astroamateure
Wolfram Fischer
Belichtung und Reichweitenzuwachs
Diese Thematik hat mich immer sehr interessiert und beschäftigt. Schließlich konnte ich durch die Nutzung des ESO-Programmes „Exposure Time Calculator" (ETC) das reale Fortschreiten des Reichweitenzuwachses während einer Belichtung, durch die ausgeklügelten Rechnungen des Programms, herausarbeiten. (Das ging nicht ganz problemlos, weil das Programm dafür nicht konzipiert war.) Wer mit den Ergebnissen nicht vertraut ist, wird sich von einigen Vorstellungen verabschieden müssen.
Die vielgepriesene Linearität digitaler Sensoren bedeutet bei längeren Belichtungen leider nicht, dass mit doppelter Belichtung die doppelte Reichweite einher geht (keine Halbierung des Rauschens!). Tatsächlich ist der Reichweitenzuwachs ein erstaunlich dynamisches Phänomen. Dies liegt hauptsächlich am großen Gegenspieler, der Helligkeit des Himmelshintergrundes und an den statistischen Schwankungen registrierter Photonen von schwächsten Quellen und Hintergrund.
(Signal S zu Rauschen N – engl. noise)
Als unterste Nachweisgrenze einer Quelle gilt
S/N = 3. Von da an heißt es viermal länger belichten,
um das Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu verdoppeln ≈ 0,7526mag Zuwachs. Um
eine Größenklasse tiefer zu kommen, braucht man mindestens die 6,31fache
Zeit, also das Quadrat des Intensitätsunterschiedes einer Größenklasse.
Ich kann mir nicht
vorstellen, dass jemand, dem diese Zusammenhänge klar sind, noch bereit
ist, jahrelang immer wieder ein Objekt zu belichten. Höhere
Abbildungsintensitäten machen so etwas überflüssig. Es liegen dennoch
bewunderungswürdige Bildresultate vor und es ist jedem freigestellt,
womit er seine Zeit verbringt. Vielleicht sollte man aber sinnvoller
Weise das Anstreben extremer Flächenhelligkeiten Instrumentenbesitzern
mit großem Öffnungsverhältnis überlassen. Aber auch damit bleibt es,
nach obigem Gesetz, ein Anrennen gegen die Hintergrundhelligkeit.
Linienfilter vermögen, bei der Fotografie von Emissionsnebeln, dieses
Störlicht weitgehend zu unterdrücken, liefern aber falsche
Farben. Bei Galaxien kommen Filter eher ergänzend in Frage (z.B. zur
Hervorhebung von Hα-Nebeln), weil ihr Licht das ganze Spektrum umfasst.
Warum
Lichtlaufzeit und nicht Entfernung?
Der Begriff Entfernung ist im Alltagsdenken
verwurzelt und der Wunsch ist groß, diesen auch in die tiefsten Tiefen
des Kosmos zu übertragen. Selbst Fachleute benutzen ihn gelegentlich, auch im Zusammenhang mit hoch rotverschobenen Objekten.
Eigentlich ist damit stets die Laufzeit des Lichts in Jahren gemeint.
Wenn Sie dazu neigen, diese Lichtlaufzeit wie selbstverständlich als
Entfernung in Lichtjahren zu verstehen, bedenken Sie bitte folgendes: In
einem beschleunigt expandierenden Universum wird die Gleichsetzung von
Lichtlaufzeit und Entfernung mit zunehmender Rotverschiebung immer
absurder!
(Der Intensitätsunterschied einer Größenklasse
ist definiert als
In der Praxis aber eher die 7fache Zeit, kommen
doch Auslese- und Dunkelstromrauschen noch
hinzu. Für 2 Größenklassen muss man dann schon
knapp die 40fache Zeit, in der Praxis eher die 50fache einplanen, weil
die Belichtungen gestückelt sind
und sich Auslese- und Dunkelstromrauschen
aufsummieren. Der Reichweitenzuwachs wird
schnell zur lahmen Ente, mutiert zum Schneckentempo und marginalisiert
schließlich zum Mikroskopischen! Bei Smart-Teleskopen kann man das
direkt auf dem Smartphone mit verfolgen.
Eine Belichtungsverdopplung im Langzeitbereich
bringt optimal einen Grenzgrößengewinn von
0,376mag und dabei spielt es keine Rolle, ob es
um eine Verlängerung von 5 auf 10 Minuten oder
von 50 auf 100 Stunden geht! Bei Letzterem
ändern ein paar Nächte mehr oder weniger nahezu
nichts! Aus der Sicht verbesserter
Nachweisgrenzen von Quellen wird dann fast
ausschließlich Rauschen gesammelt. Das "fast"
ist der Zugewinn, dringt man doch bei
Flächenhelligkeiten in Bereiche vor, die mehr
als hundertmal schwächer sein können als der Himmelshintergrund. Die 0,376mag sind allerdings zu
optimistisch, bleiben doch viele Faktoren unberücksichtigt, wie Auslese- und Dunkelstromrauschen, Seeing,
Transparenz etc.. Alles Dinge für deren Auswirkung man keinerlei Gefühl
hat.
Diese 0,376mag sind allein Ergebnis der Signal-zu-Rausch-Theorie in erster Näherung. Über diese
Thematik kann man sich ausführlicher informieren unter
[5].
Die Lichtlaufzeit ist im Idealfall gleich der Strecke in Lichtjahren,
die das Licht zu uns zurückgelegt hat. Dies ist aber weder die
Entfernung des Objekts als das Licht auf Reisen ging, weder die heutige
Entfernung, noch ist es die Zeit, die ein Lichtsignal jetzt dorthin
bräuchte. Was soll also „Entfernung"
sein?
Nur in kosmologischer Nähe zu
unserer Milchstraße (bis ca. z = 0,1, Lichtlaufzeit etwa 1,2
Milliarden Jahre) ist diese volksnahe Sichtweise, in Anbetracht der
Unsicherheiten, halbwegs hinnehmbar.