Bildinhalt: Testaufnahme Nr. 76, die Wega im Sternbild Leier
Aufnahmedaten:
Aufnahmedatum: 30. Juli 1984
Belichtungszeit: 2 Minuten
Sichtbedingungen: Himmel mittelmäßig
Aufnahmeoptik: 200/240/356, effektiv f/1,88
Kamera: Schmidt-Kamera, 50 mm Kassette
Filter: -
Emulsion/Film: ORWO NP15-Rollfilm (FAH behandelt)
FAH bedeutet Feinkorn-Ausgleich-Hypersensibilisierung und stammte von Högner aus Tautenburg. Der Film wurde in Formalin gebadet und musste 1 Stunde bei 60ºC gebacken werden. Der NP 15 sollte danach, bei gleicher Feinkörnigkeit, die Empfindlichkeit eines NP 27 Films erreichen.
Aufnahmeort: Sternwarte Sohland
Bildverarbeitung: sofortige Entwicklung in der Sternwarte
Anmerkungen: Das Bild ist leider, durch die FAH-Behandlung des Films, etwas fleckig. Die Justierung der Optik war hier dem Optimum am nächsten und zeigt erstmals annähernd die volle Leistungskraft meiner Schmidt-Kamera. Leider führten weitere Verbesserungsbemühungen wieder zu einer allmählichen Verschlechterung des Justierzustandes.
Sohland 1984: Am 28. und 29. Februar Kurzfahrt nach Sohland. Ich holte die Schmidt-Kamera wieder nach Leipzig, um kleinere Umbauten vorzunehmen und um die Justierung voranzutreiben. Dies beschäftigte mich monatelang. Am 11. Juli fuhr ich mit Bernd für 2 Tage nach Sohland, baute die Kamera wieder auf und machte erneut Testaufnahmen. Vom 20.07. – 03.08.19840730.SK.Stb.Lyr verbrachte ich mit Familie den Urlaub in Sohland. Der Kampf um die exakte Justierung wurde zur Zerreißprobe (siehe unten)!
Mit der Inbetriebnahme der Schmidt-Kamera begann ein härtnäckiges und oft auch verzweifeltes Ringen um die exakte Justierung der Optik. (Über die Höhepunkte dieser Auseinandersetzung ist bei der Bildunterschrift 19830813.SK.Gn.M57 und in dem unten wiedergegebenen Brief Einblick zu nehmen.)
Ich hatte stets die superscharfen Schmidt-Aufnahmen von Sternfreund Roloff vor Augen. Hier konnte es für mich keinen Kompromiss geben. Als am schwierigsten erwies sich das Beheben winziger Bildfeldverkippungen und eine merkwürdige Koma, die hartnäckig und widersinnig immer erneut auftrat. Die Entfernung von Leipzig nach Sohland verzögerte natürlich alles. Und wenn ich vor Ort weilte, setzte ich mich unter ungeheuren Druck. Ich wollte dort in kurzer Zeit schaffen, wofür eigentlich viel Zeit notwendig war. Dies setzte Gedankenarbeit und Planung voraus. Wenn es dann aber anders lief, zermarterte ich mir das Gehirn, wie es weiter gehen sollte. Ich führte eine nicht mehr schilderbare Fülle von Justierschritten und Justiermethoden durch und begriff irgendwann, dass die von Roloff veröffentlichte Justieranleitung fehlerhaft war und dass irgendetwas mit meiner Korrektionsplatte nicht stimmen konnte. Es entstanden weit über 100 Testaufnahmen und es sollten 2 lange Jahre vergehen, ehe mir der Durchbruch glückte!
Den Höhepunkt der Querelen, um die exakte Ausrichtung der Schmidt-Optik, schildert folgender Brief, (geringfügig verändert und gekürzt), an den Hersteller des Kamerakörpers Ing. Wolfgang Roloff:
"Leipzig, den 08.08.1984
Lieber Herr Roloff!
Herzlichen Dank für Ihren letzten Brief, der so lange auf sich warten ließ. Mein heutiges Antwortschreiben habe ich bewusst hinaus geschoben, um die Resultate meines 14tägigen Aufenthaltes in Sohland, vom 20.7. – 3.8.84, abzuwarten.
Nun liegen Ihnen diese hiermit vor. Ein paar Bilder, unter einem kaum noch vertretbaren Aufwand entstanden, die z.T. beachtliches zeigen, die Leistungskraft meiner Schmidt-Kamera spüren lassen, mich aber dennoch nicht befriedigen.
Doch ich will der Reihe nach erzählen und nicht vorweg greifen. Zu vieles ist inzwischen geschehen.
Im Februar brachte ich die Schmidt-Kamera (SK) zurück nach Leipzig, um kleinere Umbauten vorzunehmen und um die Justierung zu vollenden. Bei der Justierarbeit bemühte ich mich, die Ausrichtung der Bildfläche zu erreichen, in dem ich die Stempelachse präzis auf die Sichtlinie Korrektionsplattenmittelpunkt (KPM)– Spiegelmittelpunkt (SM) stellte. Ich konnte die Genauigkeit noch steigern, als ich auf die Idee kam, den Spiegel herauszunehmen und von unten her, durch die Stempelachse konzentrisch den KPM einzujustieren. Durch ein dauerndes Verdrehen des Kameratubus und dem Durchblick aus unterschiedlicher Entfernung entsteht eine sehr hohe Genauigkeit, die nichts mehr mit Augenmaß zu tun hat. Die Fehlerquote, die sich beim Justieren aus bautechnischen Gründen einschleichen kann, ist so, meiner Meinung nach, auf ein Mindestmaß reduziert. Die vorliegenden Aufnahmen bestätigen sämtlich, dass die Ausrichtung der Filmfläche mit dieser Methode zum Erfolg geführt hat.
Inzwischen begann ich mit Fokustestaufnahmen. Ich lehnte dazu einfach die Kamera gegen die Balkonbrüstung. Die Sternstriche zeigten deutlich Koma (verwischte Sternfiguren). Da ich als Ursache eine Verkippung der Kassette annahm, steigerte ich mich immer wieder auf´s Neue in deren Ausrichtung. Überreizt, überkritisch, entnervt und körperlich am Ende, brauchte ich zum Schluss 3 Tage, um die Stempelachse völlig ohne Beanstandungen auszurichten.
Nur an der Koma änderte sich nichts.
Erst mit der 15. Testaufnahme begann ich die radiale Lage der Korrektionsplatte (KP) zu überprüfen. Ich fotografierte defokussierte (unscharfe) Sternscheibchen. Das Ergebnis war augenfällig. Das in den Sternscheibchen mit abgebildete Haltekreuz lag weit aus der Mitte gerückt und die Scheibchen waren ungleichmäßig geschwärzt. Nun begann die Suche nach der Ursache. Dazu machte ich zahlreiche Experimente. Ich fand dabei heraus, dass die Markierung des KPM nicht genau in der Mitte der KP angebracht war. Neu angezeichnete Mittelpunkte brachten eine Abbildungsverbesserung, jedoch keine Fehlerbeseitigung.
Testaufnahmen, bei denen ich die Kipplage der KP grob verstellte, zeigten wie unempfindlich hier die SK reagiert. Es war praktisch keine Veränderung sichtbar. Erst spät kam ich auf das schon früher von Ihnen empfohlene Bogenschlagen, worunter ich mir nichts vorstellen konnte... Mit dieser Methode gelang es mir, den KPM auf etwa 0,2 mm genau anzubringen. Die Testfotos zeigten erstmals völlig ausgeglichen geschwärzte Sternscheibchen...Damit waren bereits 30 Testaufnahmen belichtet.
Beim Umjustieren der Stempelachse auf die exakt mittig in die Fassung eingebaute KP und den neuen KPM entdeckte ich, dass die Öffnung in der Fassung 202 mm Durchmesser hat. Ich fertigte aus Scherenschnittpapier eine Blende mit genau 200 mm Ø an und legte sie unter die KP. Im Weiteren beschäftigte ich mich mit Fokustestaufnahmen. Die mikroskopische Auswertung brachte, dass offenbar eine Bildzone weniger scharf war. Um die Stempelachse nicht wieder restlos verstellen zu müssen, klebte ich winzige Papierstückchen auf Zonen der Kassettenandruckfläche (auf die Fläche, die gegen den Stempel drückt). Nach weiteren 10 Testaufnahmen wurde mir klar, dass sich die Ausrichtung der Bildfläche nur verschlechtert hatte. Alles wies auf die Kassettenlage hin, die vor dem aufgeklebten Papier bestand. Ich entfernte es wieder. Am 16. Juni brachte ich die Justierung, mit auf vierzigstel Millimeter genau bestimmtem Fokusstand, zum Abschluss. Die Sternstriche waren komafrei und gestochen scharf. Sie hielten dem Vergleich mit dem Negativ, das Sie mir früher einmal geschickt hatten, stand. Auch hatte ich getestet, dass Ihre beiden Kassetten exakt die gleiche Scharfeinstellung verlangen. Wie Ihnen das gelungen ist, ist kaum zu glauben!...
Mein Entsetzen war groß, als mein Sohn, jetzt 16 Monate alt, die SK zum Umfallen brachte. Spiegel und KP hatten sich verschoben. Ich richtete beide Teile einfach auf die Stempelachse aus. Es waren nur kleine Veränderungen und in einer Nacht konnte ich mit 4 weiteren Testaufnahmen beweisen: Bildgüte und Fokusstand hatten sich nicht verändert. Nun hatte ich 50 Testaufnahmen belichtet.
Anfang Juli testete ich den DK5 Film im FAH-Verfahren (Formalin-Hypersensibilisierung). Die einfache Formalinbehandlung (wie NP 27 Film) brachte eine etwa 3 bis 4fache Empfindlichkeit. Bei 60 Grad eine Stunde „gebacken“, wurde der Film ganz schwarz.
Am 11.7. transportierte ich die Kamera wieder nach Sohland. Die Justierung überstand den Transport wesentlich besser als den Sturz. Nur eine Winzigkeit musste ich KP und Spiegel verstellen. In der Nacht hatte ich noch das Glück, 3 Testaufnahmen durchführen zu können. Die erste Aufnahme wurde 30 Sek. mit Nachführung belichtet. Dank der schlechten parallaktischen Aufstellung waren bereits da die Sterne erhebliche Striche. Wie erwartet, waren diese jedoch befriedigend scharf und ohne Koma. Um es ganz genau zu nehmen, entschloss ich mich noch zu einer fein abgestuften Fokustestaufnahme. Die beste Schärfe schien sich doch etwas verändert zu haben. Eine weitere Aufnahme bestätigte den Wert, aber o graus, helle Sterne waren nach einer Seite verwischt! Ich hoffte auf eine Zufälligkeit und belichtete mit verbesserter Aufstellung 60 Sek. mit Nachführungskontrolle.
Die Enttäuschung und Fassungslosigkeit war ungeheuerlich. Eine ganz ordinäre Koma war im Bild. Wie konnte dies sein, wenn doch die 1. Aufnahme keine Bildfehler zeigte?
Ich war langsam so weit, an ein hämisch grinsendes böses Männchen zu glauben, das alles Tun vereitelt. Das Ganze ergab überhaupt keinen Sinn mehr und ich fragte mich, wozu das alles, womit habe ich das verdient?
Weitere Aufnahmen verhinderte das Wetter. Am nächsten Tag überprüfte ich mit äußerster Gewissenhaftigkeit die Justierung. Ich kam zu dem Ergebnis, dass die Stempelachse noch nie so gut ausgerichtet gewesen ist.
Wieder nach Leipzig zurückgekehrt, zermarterte ich mein Gehirn nach einer glaubwürdigen Erklärung des Phänomens. Vielleicht hatte sich der Film in der Kassette verbeult?...
Am 20.7. reiste ich mit Familie in Sohland an. Im Gepäck waren 6 verschiedene Filmmaterialien mit über 60 Filmstücken für die SK... Die ersten Probeaufnahmen bestätigten unerbittlich den Komafehler. Eine nochmalige Überprüfung des KPM ergab keine Veränderung. Am 22.7. fand ich die einzig halbwegs plausible Erklärung. Meine Strichspuraufnahmen in Leipzig zeigten nicht alle Fehler, weil die Kamera immer in der gleichen Lage zum Himmel zeigte, die Sternspuren also immer in der gleichen Richtung durch das Bild zogen. In Sohland war dies zufällig auch einmal der Fall (hier hatte ich keine Fehler beobachtet), dann zeigten die nachgeführten Aufnahmen die Fehler unerbittlich!
Am 24.7. entschied ich mich, die radiale Lage der KP fotografisch auszutesten. Die Wega in Bildmitte (unscharf gestellt) wurde zwar gleichmäßig geschwärzt, das Haltekreuz jedoch etwas aus ihrer Mitte versetzt abgebildet. Was nützten mir alle Beteuerungen von Herrn Greßmann, dass der geometrische Mittelpunkt der KP mit ihrem optischen zusammenfallen muss, bei diesen Ergebnissen?
Ich begann die KP radial zu verschieben, um den Punkt zu suchen, wo das Kreuz genau mittig steht. Jeden Schritt und jedes Ergebnis schrieb ich mir genau auf. Auch in der folgenden Nacht bemühte ich mich vergebens, den gesuchten Punkt zu finden. Ich hatte allmählich das Gefühl, dass es diesen Punkt gar nicht gibt.
Abschließend verdrehte ich die KP um 180 Grad, brachte ihren markierten geometr. Mittelpunkt mit ihrem Spiegelbild in Deckung und belichtete so eine Aufnahme. Der Fehler zeigte sich nun genau auf der anderen Seite. Damit war bewiesen, dass die Radiallage der KP an der Misere schuld war.
In den folgenden Schlechtwettertagen versuchte ich die gemachten Aufnahmen zu analysieren. Ich konnte die Art und Weise der erzielten Veränderungen nicht verstehen. Das arge Kopfzerbrechen lohnte sich. Ich fand eine Erklärung, die alle Beobachtungen verständlich machte und die jetzt so einfach klingt: Das Kreuz im Sternscheibchen wandert in die Richtung, in die die KP verschoben wird! Am 29.7. konnte ich die Richtigkeit dieser Überlegung im Experiment bestätigt finden. Mit 3 Aufnahmen konnte ich nun die KP an den Punkt schieben, in dem die Kreuze in den unscharfen Sternen mittig erscheinen.
Die mit dieser Einstellung durchgeführte, scharfgestellte Belichtung war ein erneuter Schlag ins Gesicht. Noch immer war eine geringe Koma sichtbar. Die KP steht so ca. 1,75 mm abseits ihres geometrischen Mittelpunktes...Am 30.7. führte ich weitere 4 KP-Lagetestaufnahmen durch. Diese wurden jedoch scharf gestellt und nachgeführt belichtet. Die Abbildung des Strahlenkreuzes der Wega in Bildmitte war auch ein gutes Prüffeld. Wesentlichste Grundlage bei der Auswertung dieser Aufnahmen waren die in den folgenden Zeichnungen dargestellten Zusammenhänge, die ich aus dem Vergleich von defokussierten und fokussierten KP-Lagetestaufnahmen gewonnen hatte.
Ist die Radiallage der KP stark an ihr Soll angenähert, erscheint nur noch eine Zone mit etwas Koma. Die gegenüberliegende Seite zeigt vollkommen runde Sternscheibchen. Wenn man das weiß, ist die ganze Sache, neben der Untersuchung der Negative, nur noch ein Problem der räumlichen Zuordnung in der Kamera. Mit der letzten Probeaufnahme des Abends, so weiß ich heute, kam ich der optimalen Einstellung am nächsten... Spätere KP-Lagetestaufnahmen verschlechterten allmählich die schon erreichte Bildqualität...
Ja für mich besteht nun die Aufgabe, eine neue theoretische Grundlage, für das künftige Herangehen an die Justierung, zu schaffen. Aber wie Sie sich denken können, ich habe überhaupt keine Lust mehr dazu. Ich kann nichts mehr davon hören.
Es nützt jedoch alles nichts. Inzwischen habe ich 83 Testaufnahmen gemacht und bin nicht zufrieden...
In der Hoffnung, Sie mit meinen endlosen Ausführungen nicht zu sehr gelangweilt zu haben,
grüßt Sie herzlichst!
Ihr
Wolfram Fischer“